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Industrielle Kriegswirtschaft 1918 - 1919

Neues zu einem alten Thema von Johannes Hoffner, Ziefen.

Preisfrage
Welche Schweizer Briefmarke mit einer Hauptnummer im Katalog hat die kleinste Auflage?
Nein, es sind nicht die teuren Kantonalmarken, sondern es sind die Ausgaben zur Industriellen Kriegswirtschaft, die 1918 herausgegeben wurden und zwar die Nr. 3 (Michel Nr. 3I) zu 7½ Rp. mit dünnem Aufdruck mit 5'000 Marken und die nicht zur Ausgabe gelangte Marke Nr. 12 I (Michel 5 II) zu 15 Rp. mit 4'000 Marken (1).
Wenn die Frage gelautet hätte, bei welcher Schweizer Marke des 20. Jahrhunderts gibt es die meisten Fälschungen, wäre die Antwort wohl dieselbe gewesen.
Was hat es nun mit diesen Marken auf sich, die so weit hinten im Katalog nur eine Seite ausmachen?

In diesem Artikel werden mehrere Aspekte dieser interessanten Ausgabe beleuchtet. Dazu ist der Ausgangspunkt die erste grosse Veröffentlichung über diese Ausgaben von A. Auberson (2) in der Schweizer Briefmarkenzeitung von 1919.
-> Welche postalische Notwendigkeit gab es für diese Marken?
-> Wie wurden die Marken hergestellt?
-> Wie wurden diese Marken gebraucht?
-> Wie reagierten die Sammler vor 99 Jahren darauf?
-> Wie kann man heute diese Ausgabe sammeln?
-> Wie sieht es mit Fälschungen aus, wie sollte man diese Marken erwerben?
-> Welche Literatur gibt es zu diesen Marken?


Welche postalische Notwendigkeit gab es für diese Marken
Der erste Weltkrieg ging auch an der Schweiz nicht spurlos vorbei. Versorgungswege waren abgeschnitten, der Import überlebenswichtiger Waren und der Export wichtiger Industriegüter waren behindert. Es herrschte Unsicherheit über die Lage. In dieser Zeit wurden viele wichtige Industrie- und Handelswaren wie Metalle, Chemikalien, Fasern, Leder, Papier und ähnliches rationiert. Der Export war limitiert und auch waren diese Güter nicht im freien Handel erhältlich, sondern wurden zugeteilt. Im Volkswirtschaftsdepartement wurde 1914 die Abteilung Industrielle Kriegswirtschaft gegründet, die bis 1918 wuchs, da ihre Aufgaben zunahmen. Ab 1919 ging die Wirtschaft in den Normalbetrieb über und diese Abteilung wurde bis 1920 liquidiert.

Postkarte vom 13.IX.1918 aus Bern nach Schaffhausen von der Sektion Metalle und Maschinen frankiert mit der seltenen Marke zu 7 ½ Rp. Mit dünnem Aufdruck.

In Schweiz gab es bis 1918 keine Dienstmarken. Gemäss einem Bundesratsbeschluss vom 23. April 1909 wurden Postsendungen von Bundesbehörden von der Post frankiert und den entsprechenden Verwaltungsabteilungen monatlich belastet. Spätestens 30 Minuten vor dem Postabgang waren die Sendungen beim Postbureau aufzugeben. In Bern galt die Regelung, dass die Bundesbehörden, die ihren Sitz im Bundeshaus hatten, das Postbureau im Bundeshaus nutzten, die anderen Behörden ein Postbureau in der Nähe. Dieses Verfahren war für die Bundesbehörden recht einfach und komfortabel, aber für die Postämter teils sehr aufwendig, da sie ja oft die Post verschiedener Behörden gleichzeitig abrechnen mussten. Es kam öfters vor, dass Sendungen daher nicht mehr rechtzeitig auf die Postzüge kamen und daher verzögert versandt wurden. Dieses Problem verschärfte sich für die Abteilung Industrielle Kriegswirtschaft (IKW), die dem Volkswirtschaftsdepartement angehörte.
Ihre einzelnen Sektionen waren über die ganze Stadt Bern verteilt und daher stellte diese Abteilung am 20. Juni 1918 dem eidgenössischen Finanzdepartement den Antrag:
-> Die abgehenden Sendungen selber mit Marken freimachen zu können.
-> Diese Marken, um Missbrauch zu verhindern, zu überdrucken.

Schon zwei Tage später wurde dies genehmigt und die Abteilung Industrielle Kriegswirtschaft verständigte sich mit der Oberpostdirektion auf die Lieferung der Marken. Sie waren nur gültig, wenn sie von einer Dienststelle benutzt wurden. Somit sind diese Marken nicht privat überdruckt, sondern offiziell herausgegeben worden, eben die ersten Dienstmarken der Schweiz.

Es wurden Werte für folgende Portostufen überdruckt

3 Rp. Drucksache bis 50 g
5 Rp. findet sich meist als Zusatzfrankatur
7½ Rp. Fernpostkarte
10 Rp. Brief im Nahverkehr
15 Rp. Fernbrief
20 Rp. findet sich meist als Zusatzfrankatur
25 Rp. R-Brief Nahverkehr (10 Rp Nahbrief plus 15 Rp Einschreibgebühr)
30 Rp. R-Brief Fernverkehr (15 Rp Fernbrief plus 15 Rp Einschreibgebühr)

Die nachfolgende Tabelle bietet eine Zusammenstellung aller Dienststellen der Abteilung IKW (3), aller Dienststellen, an die am 25. Juli 1918 Überdruckmarken geliefert wurden und die jeweiligen Aufgabepostämter. Die Fakten kommen zum Einen aus einem Bericht des Bundesrats über Bilanzen der Abteilung IKW an die Bundesversammlung vom 19. April 1921, zum anderen aus der Publikation von Auberson, und zum Dritten aus der Registratur des Autors. Es sind bisher nur von zirka 15 Postämtern bedarfsgebrauchte Dienstbriefe bekannt. In dieser Zeit wurden die Aufdruckmarken mit zirka 35 verschiedenen Stempeln entwertet. Dies ist für die Echtheitsprüfung ein wichtiger Gesichtspunkt. Belege der verschiedenen Sektionen sind unterschiedlich häufig.

Zur Vergrösserung auf die Tabelle klicken.

Bemerkenswert ist, dass alle diese Dienststellen in der deutschsprachigen Schweiz ihren Sitz hatten. Gestempelte Marken von Orten aus der Romandie und dem Tessin sind also sehr ungewöhnlich.

Schon 1918 entbrannte ein Streit unter Philatelisten, der Wertzeichenkontrolle der Postdirektion und der Abteilung Industrielle Kriegswirtschaft, ob die Aufdruckmarken offizielle Ausgaben oder wie PERFINs, Marken mit einer private Kennzeichnung seien. Die Wertzeichenkontrolle war der Meinung, es handle sich um eine private Kennzeichnung. Da die Marken aber ausserhalb dieser Dienststellen nicht gültig waren und nach Aufhebung des Frankaturprivilegs der Abteilung IKW am 15. Mai 1919 ihre Gültigkeit verloren, während die Urmarken ihre Gültigkeit behielten, sind sie somit wirklich die ersten Dienstmarken der Schweiz.

Per 15. Mai 1919 kehrte die gesamte Bundesverwaltung wieder zu dem alten Verfahren zurück, dass die Postsendungen direkt beim Postbureau aufgeliefert und dort frankiert wurden. Die Gültigkeit der Überdruckmarken endete zu diesem Datum. Nachverwendungen sind bekannt und wurden nicht beanstandet. Zudem gab es natürlich viele philatelistische Spielereien.


Wie wurden die Marken hergestellt
Zunächst wurde von der Oberpostdirektion Bern der Druckauftrag an die Druckerei Stolz in Bern gegeben. Die OPD lieferte die Marken an die Druckerei und erhielt sie von dort überdruckt zurück. Die Wertzeichenkontrolle der OPD lieferte die Marken dann an die Abteilung IKW. Die ersten beiden Lieferungen vom 25. Juli und 1. August 1918 enthielten die Marken mit dem dünnen Aufdruck. Um das Verfahren zu vereinfachen, wurden dann in der Folge die Urmarken von der OPD direkt an die Abteilung IKW geliefert, die dann ihrerseits dem Drucker die Urmarken lieferten. Die Finanzkontrolle war mit diesem Verfahren nicht einverstanden, aber bevor es eine weitere Änderung gab, wurden die Marken ausser Kurs gesetzt und die Abteilung IKW nahm wieder am allgemeinen Frankierungsverfahren teil.

Die Auflagezahlen wurden schon 1919 veröffentlicht. Es gibt die Marken mit dem dünnen Aufdruck (Zumstein Nr. 1-8, Michel Nr. 1I – 8I) und dem dicken Aufdruck Zumstein (Nr. 9-12, 12I, 13-15, Michel Nr. 1II – 8II). In der Abbildung sieht man je eine Marke zu 10 Rp. mit dickem und dünnem Aufdruck. Zudem wurden noch Dienstpostkarten zu 7½ Rp. und 10 Rp. hergestellt. Schon vor Ausgabe der Aufdruckmarken hatte das Volkswirtschaftsdepartement Ganzsachenumschläge mit einer Absenderangabe überdrucken lassen.

Die Marken mit dem dünnen Aufdruck wurden in zwei Teillieferungen am 25. Juli 1918 und 1. August 1918 fertig gestellt. Da bei den dunkleren Marken zu 15 Rp. und 25 Rp. der Aufdruck und Stempel schlecht lesbar waren, wurden ab 3. September 1918 Marken mit einem dicken Aufdruck hergestellt. Von diesen gab es 14 Teillieferungen.

Die Auflagen bewegen sich zwischen 4'000 und 50'000 Stück, sie sind also recht gering. Auskunft gibt die folgende Tabelle. Die beiden Aufdrucke unterscheiden sich auf den ersten Blick. Der dünne Aufdruck ist mit einer Schrift mit Serifen, der dicke mit einer Schrift ohne Serifen gesetzt.

Zur Vergrösserung auf die Tabelle klicken.

Die Urmarken wurden zu Bogen à 100 Stück gedruckt. Da in der Druckerei nur 25 Aufdruckformen (5 x 5) hergestellt wurden, mussten die Bogen waagrecht in der Mitte getrennt werden und dann wurden die Halbbogen 2-mal mit den 25-er Aufdruckformen bedruckt. Die 25 Aufdruckfelder wurden einzeln gesetzt und die Marken wurden dann im traditionellen Buchdruck bedruckt. Da sich die Buchstaben und ihre Ausrichtung von Feld zu Feld minimal unterscheiden, kann man heute noch die 25 Druckfelder bestimmen. Von der Druckerei wurden dann 50-er Bögen geliefert, die folgendes Aufdruckschema aufweisen:


25-er Block der Marke zu 5 Rp. mit dickem Aufdruck vom rechten Seitenrand. Die linke obere Marke zeigt das Aufdruckfeld 1, die rechte untere Marke das Feld 25. Bemerkenswert ist die Urmarke des Felds 13 mit links abgeschrägtem Schriftband HELVETIA.

Im Handel befinden sich auch Marken mit doppeltem Aufdruck, Marken mit Druck auf Gummiseite, mit kopfstehendem Aufdruck, mit Aufdruck dick und dünn gemischt, Marken, die für den Aufdruck nie vorgesehen waren und ähnliches. Da die Kontrolle bei der Abteilung IKW streng war und die beteiligten Beamten schon im Jahr 1919 zu Protokoll gaben, dass sie keine Fehldrucke fanden, gelten diese Marken als Fälschungen.

Da die Wertzeichenstelle der Postdirektion die Aufdruckausgaben zunächst nicht als eigenständige Marken betrachtete, wurden auch keine Belegstücke an das Postmuseum geliefert. Erst Ende September 1919 kam schliesslich eine Anfrage des Postmuseums (4). Zu diesem Zwecke wurden in der Druckerei Stolz nochmals Aufdruckplatten zusammengestellt und 10 Bogensätze der dicken und dünnen Aufdrucke hergestellt. Diese Bögen befinden sich im Museum für Kommunikation und im Archiv der Firma Zumstein in Bern (5).


Wie wurden diese Marken gebraucht
Die meisten Sendungen waren natürlich Briefe im Nah- (10 Rp.) und Fernverkehr (15 Rp.). Häufig findet man Postkarten, vor allem von der Sektion Metalle und Maschinen, die mit 7½ Rp. freigemacht wurden. Express- und Einschreibebriefe findet man ebenfalls noch relativ einfach. Kombinierte Sendungen, Auslandsendungen, Pakete oder Drucksachen sind selten bis sehr selten.

Neben den Überdruckmarken verwendete die Abteilung IKW auch vorgedruckte Umschläge zu 10 Rp. und 15 Rp. in verschiedenen Formaten und Papierfarben. Das Wertzeichen trug keinen Überdruck. Es ergeben sich somit natürlich interessante Mischfrankaturen mit den Überdruckmarken, die dann zum Beispiel für die Eilboten- oder Einschreibegebühr verwendet wurden.

Dieser Einschreibebrief ist ein Schmuckstück. Das Porto betrug 15 Rp für den Brief im Fernverkehr und ist mit dem vorgedruckten Umschlag der Abteilung IKW abgegolten, die Einschreibegebühr von 15 Rp wurde mit einer Zumstein Nr. 5 bezahlt. Der Brief wurde am 14.XI.1918 im Postbureau im Bundeshaus aufgegeben und ist perfekt gestempelt. Als Zückerchen ist die Marke vom Feld 9 und hat die markante Abart "e" mit verkürztem Bogen in "Kriegs". Nur ein Motzer würde versuchen, den Preis wegen des abgerissenen Einschreibezettels herunterzuhandeln.


Wie reagierten die Sammler vor 99 Jahren darauf
Die Aufdruckmarken waren nicht zum Verkauf an Sammler gedacht. Natürlich sprach sich diese philatelistische Neuigkeit sofort herum und Sammler und Händler bedrängten die Abteilung IKW, um mit Marken beliefert zu werden. Es wurde die Regelung getroffen, dass bei einer Mindestabnahmemenge von 50 Stück einer Sorte die Marken mit einem Zuschlag von 20% auf den Nominalwert gekauft werden konnten. Der Verkauf startete am 13. September 1918 und endete Ende Oktober 1918. Die Abteilung IKW verkaufte Marken im Nominalwert von 19'370 Franken. Diese Marken wurden ja kaum postalisch gebraucht, somit war das für die Verwaltung ein Reingewinn. Soweit so gut. Nur war schon während der Gültigkeit dieser Marken der Bedarf viel grösser als das Angebot, vor allem für die Marke zu 7½ Rp. mit dünnem Aufdruck.

Ab 28. Juni 1919 wurden die Restbestände und der nicht verausgabte Wert 15 Rp., dicker Aufdruck, mit 20% Zuschlag verkauft. Am 8. Juli 1919 waren die Lager bei der Verwaltung leer.

Da griff manch einer zur Selbsthilfe, sprich es wurde gefälscht. Da bei der Erstellung des Aufdrucks nicht auf Fälschungssicherheit geachtet wurde - was ja auch Sinn machte, da die Marken ja zu ihrem Nennwert gebraucht wurden - wurde der Buchdruck mit gesetzten Zeilen gewählt. Die verwendete Schrift war allgemein zugänglich und daher konnte jeder Drucker seine Marken überdrucken. Man kann die Fälschungen nach verschiedenen Gruppen einteilen, näheres findet man in Abschnitt 6. Auch diese Marken gelangten noch während der Gültigkeitszeit in Umlauf und mit ihnen wurden auch Briefe fabriziert, die echte Marken, echte Stempel tragen, befördert wurden, aber eben die Marken tragen einen falschen Aufdruck.

Der Leiter der der Baumwollzentrale in Zürich Herr Diem-Saxer war ein bekannter Philatelist. Ihm ist es zu verdanken, dass so viele Briefe aus und an die Baumwollzentrale erhalten blieben. Manch einer dieser Briefe hat wohl keinen Inhalt befördert, aber es gäbe ihn sonst für uns Philatelisten nicht. Auch Herr Diem-Saxer versuchte während der Gültigkeitszeit der Aufdruckmarken Besonderheiten, Abarten und Fehldrucke zu erwerben. Dass es sogar ihm nicht gelang, der ja an der Quelle sass, kann als weiteres Zeichen gewertet werden, dass diese Stücke nicht regulär hergestellt wurden.


Wie kann man heute diese Ausgabe sammeln
Wohl die meisten Sammlerinnen und Sammler, die sich auch mit den Nebengebieten der Schweiz beschäftigen, die man weiter hinten im Katalog findet, möchten wohl einen Satz gebraucht und einen Satz gestempelt ihr Eigen nennen. Das ist für dieses Gebiet nicht ganz billig, aber wenn Sie einen echten Satz erwerben, bleibt der Wert erhalten. Oder Sie belegen die beiden Ausgaben mit einem Brief, einer Postkarte oder einer Ganzsache, hier kann man schon mit einem kleinen Budget zugreifen. Sehr ehrgeizige Sammler könnten versuchen, die verschiedenen Dienststellen oder Versandformen zu belegen. Oder postgeschichtlich könnte man sich diesen Ausgaben nähern, indem man Belege der Abteilung Industrielle Kriegswirtschaft, die mit gewöhnlichen Briefmarken freigemacht wurden oder Mischfrankaturen zwischen Marken mit und ohne Aufdruck zu sammeln. Das ist besonders interessant, da die Abteilung für IKW schon einige Zeit vor Ausgabe der Marken Briefumschläge zu 10 Rp. und 15 Rp. mit ihrem Absender drucken liess.

Einschreibebrief von Bern nach Lausanne vom 31.1.1919 der Sektion "Papierindustrie". Das Porto betrug 15 Rp. für den Brief und 15. Rp für das Einschreiben. Der Brief ist mit einer Marke zu 30 Rp. mit dickem Aufdruck frankiert.

Sie sehen, obwohl das Gebiet klein ist, eröffnen sich viele Möglichkeiten. Es wäre auch erschwinglich- aber wohl zeitintensiv- von den günstigen Marken zu versuchen alle 25 Aufdrucktypen zusammenzutragen. Dabei gibt es beim dünnen Aufdruck zwei Felder mit markanten Aufdruckbesonderheiten: Auf dem Feld 9 hat das „e“ von „Kriegs“ einen verkürzten Bogen (siehe unten Typ III) und auf dem Feld 20 ist das „g“ von „Kriegs“ gebrochen. Und zu guter Letzt gibt es ja auch bei den Urmarken viele Besonderheiten, die auch bei den Aufdruckmarken vorkommen.

Ein schönes Beispiel möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Die Abart „fehlendes Auge“ bei der Marke zu 3 Rp. Tellknabe kommt auch bei den Aufdruckmarken vor. In der Abbildung zwinkert der Tellknabe den Betrachter an. Die Marke trägt den dicken Aufdruck vom Aufdruckfeld 18. Hier sind bestimmt noch viele Besonderheiten zu finden.

Zumstein Nr. 9, 3 Rp. mit dickem Aufdruck, Fehler der Urmarke Zumstein 137.1.10 vom Feld 18 der Aufdruckplatte

Die mit Abstand seltenste Marke ist sicherlich die Marke zu 7½ Rp. mit dünnem Aufdruck. Es gibt von dieser Marke die Urmarken im Typ II und im äusserst seltenen Typ III. Nur eine nicht näher bekannte Teilauflage der an sich schon seltenen Marke wurde davon überdruckt.

Typ II Typ III

Wie sieht es mit Fälschungen aus, wie sollte man diese Marken erwerben?
Wie schon angesprochen gibt es unzählige Fälschungen, einige davon sind schon ohne Vergleichsmaterial sehr leicht zu entlarven, da der Aufdruck mit anderen Lettern, einem anderen Druckverfahren erfolgte, oder der Fälscher grosse Raritäten erzeugen wollte, wie doppeltem, kopfstehendem Aufdruck, Aufdruck auf anderen Marken, gemischtem Aufdruck, also einmal dünne und einmal dick. Alle diese Marken tragen falsche Aufdrucke, manchmal werden sie auch als Makulatur oder Fehldrucke angeboten, aber die Wertzeichenkontrolle der PTT und der zuständige Beamte bei der Abteilung IKW arbeiteten genau und im Bericht von Auberson wurde eindeutig festgehalten, dass die kompletten Lieferungen einwandfrei waren. Einfach zu entlarven sind Handstempelaufdrucke, Aufdrucke mit Laserdrucker oder Tintenstrahldrucker, die ja 1918 noch gar nicht erfunden waren. Dagegen gibt es Aufdruckfälschungen die in der Druckerei Stolz kurz im Anschluss an den offiziellen Druckauftrag erfolgten, diese machen leider den grössten Teil der Fälschungen aus. Diese Fälschungen sind nur mit gutem Vergleichsmaterial und Erfahrung zur entlarven, da der Druck mit denselben Maschinen, derselben Druckfarbe und denselben Druckbuchstaben erfolgte. Der einzige Unterschied ist, dass die Aufdruckformen wieder neu zusammengesetzt wurden. Daher unterscheiden sich die einzelnen 25 Aufdrucktypen alle etwas im Abstand der Buchstaben und in kleinen Besonderheiten jedes einzelnen Buchstabens. Im Buch von Michael Peter und Ralph Soderberg sind diese Unterschiede für die dünnen Aufdrucke ausführlich erklärt.

Verschiedene Fälschungen: doppelter, kopfstehender Aufdruck, Aufdrucke mit anderen Typen

Bei den dicken Aufdrucken ist die Lage etwas anders. Auch hier gibt es Aufdrucke, die nach Ende der Druckperiode mit neu zusammen gestellten Platten erzeugt wurden. Sie unterscheiden sich von den echten Aufdrucken ebenfalls durch kleine Abweichungen. Aber die Drucker machten Übererstunden und druckten abends für Händler und Sammler mit den echten Druckplatten, auf echte Marken, mit der richtigen Druckfarbe, aber nicht im Auftrage der Post. Ich nenne sie „Feierabenddrucke“. Sie sind also echt, aber nicht im Auftrage der Post hergestellt worden. Sie unterscheiden sich nicht von den Marken, die der Post abgeliefert wurden. Dies ist wohl der Grund, dass vom dicken Aufdruck viel mehr echte Marken im Umlauf sind als vom dünnen Aufdruck. Gestempelt sind die Marken mit dickem Aufdruck viel seltener als ungebraucht.

Um daher festzustellen, ob es sich bei dem Aufdruck um einen echten oder falschen handelt, muss man anhand dieser kleinen Einzelheiten das Feld der Aufdruckplatte bestimmen. Stimmt der Prüfgegenstand in allen Merkmalen mit einem Feld der echten Aufdruckplatte überein, so ist es ein echter Aufdruck, ansonsten ist es eine Fälschung. Das hört sich nicht nur aufwändig an, es ist es auch.

Aber nur mit geprüften Marken können Sie sicher sein, dass Sie für Ihr gutes Geld gute Ware erstehen. Bei diesem kleinen Gebiet gelten die Katalogpreise wirklich nur für geprüfte Marken. Ein mittlerweile verstorbener Prüfer dieses Gebiets hat eine Statistik erstellt, wie viele der Marken zu 7½ Rp. mit dünnem Aufdruck, die ihm vorgelegt wurden, echt waren. Das ernüchternde Ergebnis waren magere 5%. Damit beantwortet sich die Frage, ob sich der Kauf von geprüften Marken lohnt, von alleine. Im Zumstein-Katalog wird diese Marke postfrisch zu 900 Fr. und gestempelt zu 1'100 Fr. notiert. So kann ein Schnäppchen zu 400 Fr. für eine ungeprüfte Marke sehr teuer werden.

Es gibt ein bekanntes Sprichwort, das dem Philosophen John Ruskin zugeschrieben wurde:
„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“

Wenn Sie diese Marken ungeprüft erwerben gehen Sie tatsächlich ein finanzielles Risiko ein. Ein gebrauchtes Auto kauft man ja auch frisch ab MFK, und das Geld für die MFK ist es ja dem Verkäufer und dem Käufer auch Wert.

Wo kann ich Marken prüfen lassen?
Zur Zeit gibt es zwei aktive Prüfer für dieses Gebiet: Seit vielen Jahren Christoph Hertsch (SBPV) und neu Johannes Hoffner (SBPV, BPP). Sie können sich an beide wenden.

Was ist mit bereits geprüften Marken?
Schon lange ist die Fälschungsthematik bei diesen Marken diskutiert worden und es gab hervorragende Spezialisten auf diesem Gebiet. Das sind unter anderem H. Trabert ehemals Mitglied im BPP, Z. Mikulski und das Briefmarkenhaus Zumstein.


Welche Literatur gibt es zu diesen Marken
Die erste umfassende Publikation entstand schon 1919 von A. Auberson. Sie ist der Ausgangspunkt für alle weiteren Beiträge. Natürlich wurde von A. Hertsch in der BBZ viel veröffentlicht und zwar 1943 S. 51 ff, S. 136 ff, 1944 S. 5 ff und S. 22 ff. In dieser Artikel-Serie wurden der Werdegang, die Auflagen, die Druckformen und vieles über Fälschungen das erste und teils das einzige Mal vorgestellt. Das Wissen über diese Ausgaben stammt zum grössten Teil aus diesen 4 Artikeln (6).

Vor zwei Jahren ist ein sehr informatives und schön gestaltetes Buch über die Marken der Abteilung Industrielle Kriegswirtschaft von den Herren Michael Peter und Ralph Soderberg veröffentlicht worden. Es beschreibt sehr viele Aspekte der Marken insbesondere mit dem dünnen Aufdruck und der Marken mit dem Specimen Aufdruck, auf die in diesem Artikel nicht eingegangen wird. Besonders eindrücklich sind die formatfüllenden Vergrösserungen der einzelnen Aufdruckfelder und die grosse Anzahl von vorgestellten Belegen. Dieses Buch ist nur in einer Auflage von 100 Stück erschienen (4). Es enthält noch eine DVD mit den pdf-Files der Abbildungen.

Die Ganzsachen, die durchwegs noch seltener sind, aber auch weniger gesammelt werden, wurden 1975 von I. Debrunner in der SBZ vorgestellt.
Die Zumstein-Kataloge sind natürlich eine gute Informationsquelle, wie auch das legendäre Zumstein-Handbuch, das sehr viel über die Entstehung der Urmarken enthält und die Fälschungsproblematik anspricht. Wenn man diesen Abschnitt aus dem Jahre 1924 liest, könnte man meinen, er wäre erst kürzlich geschrieben worden, so aktuell ist er (8).

Johannes Hoffner ist Mitglied im Briefmarkensammler-Verein Baselland, im Bund Philatelistischer Prüfer (BPP) und im Schweizer Briefmarken Prüfer Verband (SBPV).

Johannes Hoffner, Hintermatt 9, 4417 Ziefen


Fussnoten
(1) Zum Vergleich: die Doppelgenf wurde in einer Auflage von 108 000 gedruckt.
(2) A. Auberson, in Schweizer Briefmarken Zeitung, 1919, XXXII, 7/8, S 92-95.
(3) Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zu den Rechnungen und Bilanzen der kriegswirtschaftlichen Dienstzweige des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in den Jahren 1915-1918, 19.4.1921, Bundesblatt, 1921, 3, 23, Geschäftsnummer 1229, publ. Am 8.6.1921, S. 413 -428
(4) Persönliche Mitteilung Andreas Disteli, 2014.
(5) Michael Peter, Ralph Soderberg; The Industrielle Kriegswirtschaft Issue of Switzerland 1918 – 1919, veröffentlicht von der American Helvetic Society, Asheville, North Carolina, 2011, erhältlich im philatelistischen Fachhandel.
(6) A Hertsch, Schweizer Dienstmarken Teil I – IV, Berner Briefmarkenzeitung 1943, S51ff, S136 ff, und 1944 S5ff und S22ff.
(7) I. Debrunner, Schweizer Briefmarken Zeitung 1975, Vol 88, S 307 -310
(8) A. Hertsch, Spezial-Katalog und Handbuch über die Briefmarken der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bern 1923